Liegt Spielerschutz tatsächlich im Interesse des Finanzministeriums?
Die Spielerhilfe hat in den letzten Jahren ihre Hausaufgaben gemacht und arbeitet sich kontinuierlich durch das Schlachtfeld zerstörter Existenzen, welche die Glücksspielindustrie bereits hinterlassen hat. Von „Einzelfällen“ braucht jedenfalls keiner der in Österreich tätigen Betreiber mehr sprechen. Das vom Finanzministerium geschickt eingesetzte Instrument der „bösen“ illegalen stationären Betreiber, die in Lokalitäten – oder neuerdings auch Privatwohnungen – ihr Unwesen treiben: ein Ablenkungsmanöver, bei dem die österreichischen Medien bereitwillig mitspielen. Das Ministerium reiht dieses Vorgehen unter die Rubrik „Spielerschutz“ ein. „Klingt einfach gut“ dachte man sich wohl dort.
Spielerschutz bei legalen Betreibern eine Katastrophe
Bei legalen Betreibern wie den Casinos Austria schaut Spielerschutz auch gut aus, zumindest in der Werbung. In der Praxis sieht es jedoch so aus: wenn ein Gast mit 20.000 Euro hinein gegangen ist und innerhalb einer Stunde alles verspielte, überreichte man ihm anschließend eine goldene VIP-Karte, ladete ihn auf ein Essen und Getränke ein und hoffte, er möge schon morgen wieder kommen. Wie es dem Kunden geht ist für die Unternehmen dabei nicht primär wichtig. Wo das Geld herkommt, ebenso wenig. Wichtig ist nur, dass es kommt. Auch etliche Kunden, die dort 70-, 300-tausend oder etwa 1 Million Euro innerhalb weniger Monate oder Jahre verspielen konnten, wurden nicht nach ihren finanziellen Verhältnissen befragt. Wo der angeblich gute Spielerschutz in diesen Fällen war?
Das müsste man auch das Finanzministerium fragen, was die Spielerhilfe sogar gemacht hat. Mehrfach. Doch man zeigte sich sichtlich desinteressiert. Die eigens eingerichtete Spielerschutz-Stabsstelle besteht aus einer einzigen Person. Diese Person ist weisungsgebunden und muss Anweisungen befolgen, die offensichtlich nicht förderlich für funktionierenden Spielerschutz sind. Ein Terminangebot zum Aufzeigen konkreter Verfehlungen wurde vom Ministerium jedenfalls erst abgelehnt, dann gekonnt ignoriert.
Finanzpolizei bekämpft illegale Betreiber völlig unzureichend
Bis heute meldeten sich hunderte Geschädigte beim Spielerschutz-Verein Spielerhilfe. Die stationären illegalen Betreiber waren – bis auf eine Ausnahme – nie ein Thema. Was nicht bedeuten soll, dass die Spielerhilfe diese gut findet. Die Bekämpfung der illegalen Betreiber ist wichtig und richtig. Was damit jedoch gesagt sein soll: die öffentlich zur Schau gestellte Bekämpfung mehrheitlich kleiner Automaten-Aufsteller hat in der Realität nichts mit Spielerschutz zu tun. Die Menschen, die sich an die Spielerhilfe wenden, haben hingegen ihr Vermögen bei den legalen Anbietern wie Casinos Austria, Admiral oder anderen Betreibern verspielen können – ohne ausreichend geschützt worden zu sein.
Hinzu kommt eine große Welle von Personen, die zunehmend online spielt. In einer Kronen Zeitung gab es bisher keine Fotos von Hausdurchsuchungen der Finanzpolizei bei einer bwin, bet-at-home oder einem sonstigen in Österreich tätigen illegalen Online-Glücksspiel-Betreiber. Obwohl diese ihre Büros in Österreich haben. Das Finanzministerium begnügt sich mit Fotos aus kleinen Lokalen und Wohnungen, wo eine Vielzahl von Finanzbeamten auf eine Kleinzahl von Automaten trifft.
Rund 800 illegale Automaten hat die Finanzpolizei im Jahr 2021 aus dem Verkehr gezogen. Das sind täglich umgerechnet 2,2 Stück. Verglichen mit den ausländischen Online-Casinos, die jährlich hunderte Millionen Euro einnehmen, ein Hauch von nichts. Von den großen Online-Betreibern holt man sich stattdessen jährlich die vielen Millionen Euro Steuergeld ab, anstatt auf die „Jagd nach einem Foto für die Zeitung“ zu gehen.
„Dies ist ein überdeutliches Zeichen dafür, dass Spielerschutz im Finanzministerium – wenn überhaupt – eine nur äußerst geringe Rolle spielt. Geld hingegen spielt eine große Rolle. Seit Jahren ist bekannt, dass es deshalb zu Interessenkonflikten im Ministerium kommt. Eine Schande, dass sich daran bis heute nichts geändert hat.“
Zahnlose Spielerschutz-Propaganda
Dieses Vorgehen brachte dem – mittlerweile ehemaligen – Finanzminister Blümel, unbekannten Finanzbeamten von Finanzministerium und Finanzpolizei bereits eine Strafanzeige ein, wegen Verdacht auf Amtsmissbrauch. Es gilt die Unschuldsvermutung. Die Anwälte der Spielerhilfe hatten diese Anzeige sehr gut inhaltlich begründet, ehe sie von der Spielerhilfe bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft eingebracht wurde. Doch diese leitete die Anzeige zur Bearbeitung an die Oberstaatsanwaltschaft Wien weiter. Nur einen Tag später entschied genau jene Staatsanwaltschaft, der Spielerhilfe die Botschaft zu übermitteln, deshalb keine Ermittlung einzuleiten. Telefonische Nachfrage beim zuständigen Staatsanwalt: kein ausreichender Anfangsverdacht. Als sich die Spielerhilfe um die gemachte Aktennotiz erkundigen wollte, sagte der zuständige Staatsanwalt: „Normalerweise gebe ich diese Information telefonisch nicht. Aber in diesem Fall gebe ich sie schriftlich auch nicht.“
Der Verein hat bis heute nicht erfahren, aus welchen genauen Gründen keine Ermittlungen stattgefunden haben.
Steuereinnahmen stehen deutlich vor Spielerschutz-Maßnahmen
Wir können weiter über Spielerschutz diskutieren, den es in benötigter Form wohl nie geben wird. Die Politik bringt dies nicht zustande. Zu tief sind die Verbindungen mit „Freunden“ bei Glücksspiel-Konzernen. Das Finanzministerium – in dessen Verantwortung der Spielerschutz seit Jahren liegt – schafft das ebenso wenig. Zu verlockend sind die riesigen Steuereinnahmen. Im Zweifel schaut man also besser weg und kümmert sich einem im Ministerium beliebten Thema: die illegalen stationären Anbieter, sie sind ja angeblich das wahre Problem beim Spielerschutz in Österreich. Die illegalen Online-Glücksspiel-Betreiber sind damit jedoch nicht gemeint. Denn: mit diesen steht das Finanzministerium lieber in gutem Austausch, um sich das Steuergeld von ihnen abzuholen. Auch die Verstöße konzessionierter Glücksspiel-Unternehmen spielen keine tatsächliche Rolle im Ministerium – es wird geschickt darüber hinweg geblickt.
Bei der eingerichteten Stabsstelle im Ministerium dürfte es sich beim Spielerschutz ebenso um eine geschickte Inszenierung und eine Alibi-Abteilung handeln – ähnlich wie bei der Bekämpfung der illegalen stationären Betreiber wegen angeblichem Spielerschutz. Während das tatsächliche Interesse das Geld ist – was von den leidenden Spielsüchtigen kommt.
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