Am Handelsgericht Wien trafen sich am Freitag, den 12. Jänner 2024, die Streitparteien für einen weiteren Prozesstag. Der Verhandlungstag begann zuvor mit mysteriösen Umständen: In der Nacht zuvor versuchte jemand, am Auto der Spieler-Anwältin einen GPS-Peilsender anzubringen. Das Hotel bekam die Vorgänge in der hoteleigenen Garage mit und verständigte die Polizei. Die Anwältin kam – samt Peilsender – zur Gerichtsverhandlung. Dies blieb jedoch nicht die einzige Überraschung an diesem Freitag.

Ein unangenehmer Start in den Tag

Einen 6-stelligen Betrag klagt ein spielsüchtiger Spieler ein, den er im Casino der Palasino (vormals American Chance) in Tschechien an der österreichischen Grenze verspielt hatte. Das Besondere daran: Die Klage findet an einem österreichischen Gericht statt. Vor Gericht geht es am aktuellen Verhandlungstag ausschließlich um die Frage der Gerichtszuständigkeit: Darf diese Klage in Wien, Österreich, verhandelt werden, da das Casino Palasino sein Angebot auf österreichische Spieler ausrichtet?

Die Anwältin des Spielers war sichtlich schockiert, bevor die Verhandlung um 09 Uhr startete. Eine Person hatte in der Garage ihres Hotels in der Stadt Wien versucht, an ihrem Auto einen GPS-Sender anzubringen. Aufmerksames Personal bemerkte diesen Vorgang und alarmierte die Polizei. Später stellte sich heraus, dass zudem ein Hotelzimmer von jener Person und einem weiteren Kollegen gemietet wurde. Ein Detektiv-Unternehmen, welches sich auf Überwachung spezialisiert hat und im Auftrag eines Kunden handelte. Möglicherweise wurde die Anwältin schon länger beschattet. Den Peilsender hatte man ihr ausgehändigt. Sie holt ihn aus einer Tragetasche heraus – er wurde noch nicht untersucht. Aus Sicherheitsgründen wurde der Sender an einen bediensteten Sicherheitsmann des Gerichts übergeben. Ob dieser Vorgang mit dem Gerichtsverfahren in Zusammenhang steht ist unklar, die Beklagte bestreitet das.

Zuhörer unerwünscht

Auf Seite des Casino Palasino erscheinen drei Personen zur Verhandlung. Es wird 9 Uhr, die Richterin erscheint und die Verhandlung beginnt. Am heutigen Tag sind mehrere Zeugen geladen, etwa ein ehemaliger Mitarbeiter des Casinos. Die Dauer der Verhandlung wurde zuvor auf 3 Stunden festgelegt. Um 12 Uhr soll Schluss sein. Wie sich später herausstellt: ein großer Irrtum.

Der Anwalt von Palasino beginnt und beantragt den Ausschluss der Öffentlichkeit. Der anwesende Zuhörer – ein Vertreter des Verein Spielerhilfe – ist offensichtlich unerwünscht. Der Anwalt erklärt, es werden im Rahmen der Verhandlung interne Buchhaltungsvorgänge offengelegt und Themen erörtert, bei denen das Spielgeheimnis betroffen sei. Die Richterin lehnt den Ausschluss ab. Der Anwalt bringt ein Vorbringen vor und die Richterin lehnt erneut ab. Es wird ein Beschluss gefasst. Der Palasino-Anwalt beantragt, bis zur endgültigen Klärung der Sachlage die Verhandlung zu vertagen. Alle werden aus dem Saal geschickt, bis sich die Richterin final entschieden hat. Doch erneut: Abgewiesen. Die Verhandlung geht – mit Zuhörer – weiter.

Überwachung im Admiral Colosseum

Im Rahmen von Einvernahmen wird nun die Frage der Zuständigkeit vom Gericht geklärt. Dabei ging es etwa darum, in welcher Sprache im Casino die Mitarbeiter mit den Gästen sprechen oder in welcher Währung an den Automaten gespielt wird. Auf den Social Media Auftritten von Palasino wurde vieles in deutscher Sprache beworben. Das sei eine automatische Übersetzung von Facebook, brachte ein Vertreter von Palasino vor. An den Automaten wird in Euro gespielt, obwohl es in Tschechien Kronen als Währung gibt. Und auch während des Corona-Lockdown in Österreich blieb das Casino an der Grenze geschlossen, obwohl der Lockdown nicht für Tschechien galt.

Die Befragungen der Zeugen dauern teilweise sehr lange. Die Richterin versuchte desöfteren für die Frage der Zuständigkeit nicht relevante Themen zu streichen. Plötzlich legte der Anwalt des Palasino Bilder und Videos des Klägers vor, die ihn in einem benachbarten Casino – dem Admiral Colosseum – beim Spielen zeigen sollen. Wie das Palasino an diese sensiblen Informationen kam, wurde letztlich nicht restlos geklärt. Angeblich habe der Kläger über die Datenschutzgrundverordnung dazu zugestimmt. Wurde der Kläger beschattet, oder handelt es sich dabei um die Aufzeichnungen der Admiral-eigenen Überwachungssysteme, die man zwischen den Casinos austauschte? Diese Frage könnte dem Vernehmen nach noch Inhalt einer der kommenden Verhandlungen werden.

Entscheidung erwartet

Bald stellte sich heraus, dass ein Ende der Verhandlung um 12 Uhr sehr unwahrscheinlich ist. Ein anwesender Dolmetscher musste um 13:30 für eine Stunde zu einem anderen Prozess. Die Richterin unterbrach die Verhandlung für eine Stunde. Um ca. 15:00 ging es weiter, für erneut mehrere Stunden. Die Verhandlung wurde am Ende geschlossen. Das bedeutet: Die Entscheidung des Gerichts wird in den nächsten Wochen vorliegen.

Unabhängig davon wie das Gericht entscheidet, wird wohl die unterlegene Seite ein Rechtsmittel dagegen einlegen. Die finale Entscheidung wird somit wohl erst in mehreren Monaten bekannt werden. Für beide Seiten geht es um viel. Wirklich viel zu verlieren haben aber die Betreiber an der tschechischen Grenze, insbesondere der Betreiber Admiral, der zum Novomatic-Konzern gehört und die meisten Casinos entlang der Grenze betreibt. Sollte das Gericht als Zuständigkeit Österreich feststellen, werden sehr viele weitere Spielerklagen folgen. In Österreich zu klagen, erleichtert die Möglichkeit auf Schadenersatzforderungen für Betroffene aus Österreich. Dem Vernehmen nach warten etliche Menschen auf die Entscheidung in diesem Verfahren, auch Prozessfinanzierer stehen bereits in den Startlöchern.

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