Ein relevanter Teil der Fixgehälter von Mitarbeitern wird durch teils ungeheure Trinkgeld-Methoden abgedeckt

Beim heimischen Glücksspiel-Monopolisten, den Casinos Austria, werden jährlich viele Millionen Euro als Trinkgelder von den spielenden Gästen eingesammelt. Dennoch wurden nun 600 Mitarbeiter beim Arbeitsmarktservice zur Kündigung angemeldet. Bis zum Jahr 2007 gab es ein erfolgsabhängiges Gehaltsschema beim Glücksspielriesen. Sogar die Mitarbeiter in der Zentrale in Wien waren an diesem erfolgsabhängigen System beteiligt. Seitdem werden die Mitarbeiter mit Fixlöhnen bezahlt. Trinkgelder für die Mitarbeiter gibt es nicht mehr. Doch diese werden bis heute, mit teils raffinierten Methoden, weiter von den Gästen einkassiert.

Cagnotte – die gemeinsame Kassa

Im Jahr 2008 wurde bekannt, dass ein damals bei den Casinos tätiger Croupier sich an den Verfassungsgerichtshof wandte, da er reklamierte dass seine bis 2007 üblich ausbezahlten Trinkgelder versteuert wurden, was in keiner sonstigen Berufsgruppe üblich sei. Doch der Croupier bekam kein Recht zugesprochen. Denn bei den Casinos darf laut Glücksspielgesetz der Mitarbeiter selbst kein Geld entgegennehmen. Nur für die gemeinsame Kassa, die Cagnotte, dürfen die Gäste um Trinkgeld gefragt werden. Deshalb war in diesem Fall die Versteuerung rechtlich gedeckt, da es sich um einen Trinkgeld-Topf handelte, und keine direkte Trinkgeld-Annahme. Die Aufnahme von Trinkgeldern im Glücksspielgesetz ist ebenso interessant und zeigt, wie systemrelevant Trinkgelder bei den Casinos Austria sind. Interessantes Detail am Rande: Das Wort Cagnotte kommt aus dem Französischen, und bedeutet auch: Jackpot. Ein Zufall?

Irreführung am Gast

Die spielenden Gäste bei den Casinos Austria, die nicht selten spielsüchtig und finanziell nicht immer besonders gut bestückt sind, werden hier irregeführt. Denn der Gast denkt, sein Trinkgeld kommt den Mitarbeitern in diesem Betrieb zugute. Tatsächlich ist dies seit 2007 nicht mehr der Fall. Denn ob ein spielender Gast kein Trinkgeld, oder 200 Euro gibt, hat auf das Gehalt der Mitarbeiter vor Ort keine Auswirkung mehr.

Trinkgeldabhängige Entlohnung seit 2007 abgeschafft

Am Ende eines Monats wurde stets alles in einen Topf gegeben und jede der Filialen bekam, abhängig vom Erfolg, Punkte. So errechneten sich die Bruttolöhne der Mitarbeiter. Der Betriebsrat war zu dieser Zeit bemüht, dass nur wenig neue Mitarbeiter eingestellt werden. Denn mehr neue Angestellte hätten weniger Geld für jeden Einzelnen bedeutet. Im Jahr 2007 änderte sich die Grundlage für die Bezahlung der Löhne bei den Casinos Austria drastisch. War es bisher üblich, dass die in der Cagnotte gesammelten Trinkgelder nach einem Punkte-System an die Mitarbeiter ausgeschüttet wurden, entschied der damals neue Generaldirektor der Casinos Austria, Karl Stoss, dieses Schema massiv zu verändern. Das Ergebnis: Das Punkte-System und die Cagnotte-abhängige Entlohnung der Mitarbeiter entfiel, Fixgehälter wurden eingeführt. Lediglich Mitarbeiter in höheren Einstufungen und die jeweiligen Direktoren erhielten Bonus-Vereinbarungen für die Erreichung von Zielen. Doch die Casinos Austria motivieren ihre Mitarbeiter weiterhin eifrig, die Gäste um Trinkgelder zu bitten. Dazu gibt es spezielle Schulungen, die im richtigen Umgang mit den Gästen im Bereich der Trinkgelder zu Höchstleistungen anspornen sollen.

Trinkgeld bei den Casinos Austria

„Es könnt‘ a ein bisserl mehr sein“

Die Methoden, die von den Casinos Austria Mitarbeitern beim Erbitten von Trinkgeld angewendet werden, sind nicht immer freundlich. Die Art, nach Trinkgeld zu bitten, ist sehr fordernd und teils mit Druck gegenüber den anwesenden Gästen versehen. So rutschen einigen Croupiers Sprüche über die Lippen, die erst einmal verdaut werden müssen. Für einen teilstaatlichen Glücksspielbetreiber, der gleichzeitig Monopolist ist, eine ungeheure Vorgehensweise. Doch immerhin: Die Strategie funktioniert.

„Das passt eh, wenn wir Ihnen 50.000 Euro ausbezahlen, den Rest dann für die Casino-Mitarbeiter, ja?“

Ein Croupier an einem Casinos Austria Standort zu einem höchst spielsüchtigen Gast, der ein einziges Mal groß gewonnen hat. Beinahe 5.000 Euro Trinkgeld wurden so in die Cagnotte geleitet, denn der Gewinn betrug knapp 55.000 Euro.

Danke, im Namen der Mitarbeiter

Ein oft gehörter Spruch bei den Casinos Austria lautet: „Danke, im Namen der Mitarbeiter“. Dieser wird stets dann ausgesprochen, wenn es einem Croupier gelungen ist, einen entsprechenden Betrag von einem Gast zu lukrieren. Dabei werden die dort zuständigen Angestellten mitunter mürrisch und regelrecht grantig, wenn ein Gast, der eine Auszahlung am Automaten erhält, kein für die Casinos als angemessen gesehenes Trinkgeld gibt.

„Sind Sie zum ersten Mal hier? Hat Ihnen noch niemand gesagt, dass mindestens 3% Trinkgeld bei uns üblich sind?“

Ein Kampf um Trinkgeld mit harten Bandagen. Bei Gästen, die zu wenig Trinkgeld geben, wird vor allen anderen Kunden versucht, mit entsprechenden Sätzen diese gefügig zu machen.

Steuerschonende Mehreinnahmen

Auf den Punkt gebracht: Bei den Cagnotte-Geldern handelt es sich um äußerst steuerschonende Einnahmen für die Casinos. Ein ähnlich steuerschonendes Modell wurde erst kürzlich bei den Eintritts-Jetons aufgedeckt, die gänzlich von der Spielbanken-Abgabe ausgenommen sind. Die Trinkgelder werden zu einem großen Teil dazu verwendet, zirka die Hälfte der Mitarbeiter-Fixkosten abzudecken. Pro Jahr geht es um viele Millionen Euro, die so eingesammelt werden. Würden die Gäste diese Trinkgelder stattdessen verspielen, müssten die Casinos für dieses verspielte Geld dreißig Prozent davon in Form der Spielbankenabgabe an das Finanzministerium abführen. Ein äußerst kluger Schachzug der Casinos. Zum Leid der dort spielenden Gäste, die nicht selten spielsüchtig sind.

„Der spielende Gast würde in den meisten Fällen all sein Geld verspielen. Durch die Trinkgelder wird das Geld des Spielers in ein Trinkgeld-System umgeleitet, für welches die Casinos keine 30%-ige Spielbanken-Abgabe bezahlen müssen.“

Ein Casinos-Insider über die hausinterne Strategie zum Vorgehen bei den Trinkgeldern

Wir haben die Casinos Austria mit diesem Thema konfrontiert, erhielten dazu bisher allerdings keine Stellungnahme.

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