Eine offenbar weit verbreitete Meinung denkt: Sind Spielsüchtige dumm? Sind Spielsüchtige weniger intelligent? Bei der Arbeit der Spielerhilfe kommen immer wieder dieselben Aussagen in den sozialen Netzwerken auf. „Selber Schuld, einfach nicht hingehen“ ist nur eine davon. Dabei hat eine Spielsucht nur sehr wenig mit der Intelligenz eines Menschen gemein. Woran liegt es also, dass jemand spielsüchtig wird?

Sind Spielsüchtige weniger intelligent?

Wie kann ein Mensch sein ganzes Geld im Casino verspielen? „Dem muss ja klar gewesen sein, dass am Ende immer das Casino gewinnt. Also selber schuld“. Mit solchen Aussagen werden Betroffene auf Social Media konfrontiert. „Jeder Mensch ist für sich selber verantwortlich“, lautet eine weitere Aussage. Die weit verbreitete Meinung denkt, Spielsüchtige wären nicht die cleversten unserer Mitmenschen.

Doch dabei handelt es sich um einen Mythos. Spielsucht hat nichts mit einer geringen Intelligenz eines Menschen zu tun. Sie hat auch überhaupt nichts damit zu tun, ob jemand rechnen oder denken kann. Spielsucht ist viel mehr eine ernsthafte Erkrankung, die unter der Klassifizierung ICD-10 bei der Weltgesundheitsorganisation WHO zu finden ist. Vereinfacht gesagt: Glücksspiel nutzt das Gehirn und den Dopamin-Ausstoß der Glücksgefühle als Schwäche aus. Sie bringt Betroffene in einen Teufelskreis.

Schleichende Entwicklung

Die Spielsucht entwickelt sich anfänglich schleichend, aber unbemerkt. Betroffene erzählen später, dass sie zu diesem Zeitpunkt jederzeit dachten, sie hätten die volle Kontrolle über ihr Spielverhalten gehabt. Trotzdem zieht sie das Spiel an Automaten, Roulette oder Karten bereits regelmäßig in das Casino. „Es macht mir einfach Spaß, ich finde das lustig“, sind Aussagen von Personen in diesem Zustand.

Ein hochrangiger Manager eines bekannten Glücksspielunternehmens sagte einem Spielerhilfe-Vereinsmitglied gegenüber sehr unverblümt, wie das Casino-Geschäft funktioniert. Dabei wird auch ersichtlich, was eine Spielsucht auslöst:

„Anfangs versuchen wir, neue Leute in unsere Casinos zu locken. Am Anfang lassen wir sie gewinnen. Das Geld sollen sie haben, das ist mir völlig egal. Wenn sie häufiger kommen und die Spielsucht einsetzt – was sehr schnell geht – gewinnen sie auch noch, aber nicht mehr so intensiv. Und am Ende lassen wir die Menschen gar nicht mehr gewinnen. Machen wir uns nichts vor: So läuft unser Geschäft.“

Hohe Gewinne sind nachweislich Auslöser für den Beginn einer Spielsucht. So gut wie alle Betroffenen berichten über anfänglich große Gewinne. Die Industrie nützt also offensichtlich gezielt Methoden, um möglichst viele Menschen in eine Spielsucht zu bringen.

Dopamin

Nicht jeder Mensch wird spielsüchtig

Betont werden muss: Nicht jeder Mensch wird gleich spielsüchtig. Es hängt häufig davon ab, wie oft eine Person ein Casino besucht, oder welches Glücksspiel gespielt wird. Viele Menschen spielen beispielsweise Lotto. Knapp die Hälfte der Österreicher nimmt zumindest einmal pro Jahr an einem Glücksspiel teil. Besonders gefährlich wird der Suchtfaktor bei Spielen, die eine schnelle Spielabfolge haben. Sprich: Je schneller das Spiel, desto höher die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung einer Abhängigkeit.

An der Spitze der gefährlichen Glücksspiele stehen die Glücksspiel-Automaten. Mit Spielabfolgen von 1-2 Sekunden haben sie ein äußerst hohes Abhängigkeitspotenzial. Das Suchtzentrum der spielenden Person wird in sehr kurzen Intervallen und somit in hoher Frequenz befeuert. Der Spieler befindet sich auf einer Achterbahnfahrt, was seinen Hormonausstoß angeht. Ausgeklügelte Spiele, entwickelt anhand psychologischer Muster, sind so gestaltet dass die Abhängigkeit gefördert wird. Sogenannte Fast-Gewinne werden mit Animation und Geräuschen unterlegt, die dem Spieler das Gefühl geben, gewonnen zu haben – obwohl er in Wahrheit verloren hat.

Achterbahn

Aber die meisten regelmäßigen Casino-Gäste sind spielsüchtig

Wenn Sie sehen möchten, wie viele Spielsüchtige ein Casino hat, machen Sie doch einen Test. Besuchen Sie das Casino für eine Woche lang. Aber bitte nicht zum Spielen, sondern zum Beobachten. Betrachten Sie die Gesichter der Menschen. Und kommen Sie am Tag darauf wieder, um zu sehen, wieviele der gestrigen Gesichter heute wieder zu Gast sind. Sie werden überrascht sein. Wir sind es jedoch nicht. Denn wir wissen: Die meisten Stammgäste eines Casinos haben eine handfeste Spielsucht.

Den Casinos ist dieser Umstand logischerweise bekannt, denn sie verdienen den Großteil ihres Geldes mit den Süchtigsten. Die typischen Wochenend-Gäste dienen dem Casino mehr als Statisten und potenzielle neue spielsüchtige Kunden, als den tatsächlichen Einnahmen.

Ein steiler Verlauf

Wie auch bei anderen Formen der Sucht kommt es im Verlauf einer Spielsucht zur sogenannten Toleranz-Bildung. Das Gehirn gewöhnt sich an den Dopamin-Ausstoß in übermäßiger Form. Es benötigt nach und nach eine größere Dosis. Höhere Einsätze, längere Spieldauer sind Faktoren, die erneut den gewünschten Kick bringen. Spielsüchtige, die nicht spielen können, bekommen körperliche und psychische Entzugserscheinungen und ihr Gedanke kreist immer nur um ein Thema: Wie beschaffe ich Geld für mein nächstes Spiel?

Pathologische Spieler nennt man schließlich Spielsüchtige, die jegliche Kontrolle über ihr Spiel verloren haben. Sie spielen nicht mehr aus Spaß, nicht mehr für Gewinne. Sie spielen, um zu spielen. Ihr Wunsch, das Spielen zu unterlassen, lässt sich aus eigener Kraft nicht mehr erfüllen. Der Druck zu spielen ist für sie groß. Nach dem Aufstehen kreist sofort jeder Gedanke um das Spiel. Es zieht diese Personen regelrecht zu den Casino-Betrieben – wie ein Magnet. Es kommt zu einem vollständigen Kontrollverlust. Einer Impulskontrollstörung.

Magnet

Ein großer Irrglaube

Dass Spielsüchtige also weniger intelligent sind, ist ein Irrglaube. Personen, die frisch in eine Spielsucht-Therapie gehen, sind oft mental stark angeschlagen. Sie schämen sich. Denken sich: „Wie konnte mir das passieren?“. Ihre Angehörigen vermeiden häufig über das Thema zu sprechen. Immer noch gehört es zu den Tabu-Themen. Doch Spielsucht ist, was sie ist: Eine Schwäche der menschlichen Spezies, das Ausnützen des hormongesteuerten Gehirns, die genau diese Dopamin-Achterbahnfahrt zu einer Sucht werden lässt. Spielsucht trifft auch die cleversten Menschen und hat nichts mit der Intelligenz zu tun.

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