Hinweis vorab: Falls Sie die Einleitung und den ersten Teil zu dieser Serie verpasst haben, diese ist hier abrufbar. Teil 1 finden Sie hier. Wir freuen uns über tausende Leser. Damit Sie keine der weiteren Teile dazu verpassen, abonnieren Sie doch einfach unseren Newsletter (am Ende dieser Seite), oder folgen Sie uns auf Facebook oder Twitter.

Glücksspielautomaten Steuerung

Es handelt sich um einen Mythos, der sich unter Spielern schon lange hält. Angeblich sollen die Glücksspielgeräte gesteuert oder gar manipuliert sein, so vereinzelte Stimmen. In einer mehrteiligen Serie gehen wir diesem hartnäckigen Gerücht nach. Wir recherchieren in Österreich – sieben Monate lang. Wir durchleuchten die Gesetze, versuchen mit den Casino-Betreibern zu reden (…erfolglos), konfrontieren das Finanzministerium mit unseren Fragen. Auch mehrere Insider treffen wir. Wir erfahren eine Menge. Es sieht so aus, als handle es sich nicht nur um ein bloßes Gerücht.

Zufall, Glück oder totale Glücksspielautomaten Steuerung?

Würden Sie an Glücksspielautomaten spielen, wenn Sie wissen würden, dass die Auszahlungsquoten von Menschen gesenkt oder erhöht werden, und weniger der Automat über Gewinn oder Verlust entscheidet als bisher angenommen? Dies ist für den Spieler nicht sichtbar.
 
Doch was ist an den Gerüchten der Automaten-Steuerung dran?
Roulette

Bei Roulette ist der Ausgang des Spieles für den Spieler nachvollziehbar. Würden Spieler weiterhin Roulette spielen, wenn offensichtlich Nummern oder Felder im Kessel fehlen? Bei den Automaten verhält sich dies insofern anders, als dass eine Erhöhung des Hausvorteils des Casinos für den Spieler nicht offensichtlich sichtbar ist.

Steuerung des Hausvorteils

Aufmerksame Beobachter, die häufig in Casinos sind, werden alle schon Zeugen eines Phänomens geworden sein. Entweder gewinnen viele Spieler auf einmal, oder beinahe niemand von ihnen. Ein guter Indikator ist hier der Blick auf die Kontostände der einzelnen Spieler an den Automaten. Es gibt Tage, an denen gefühlt 49 von 50 anwesenden Personen ihr Geld verlieren und weiter Schein für Schein in die Automaten stecken. Und dann gibt es Tage, an denen gefühlt 30 von 50 Personen gewinnen.

Dies liegt aber weniger daran, dass diese Tage weniger oder mehr Glück zu Tage bringen, sondern es geht vielmehr darum, dass die Auszahlungsquote an den schlechten Tagen vom Casino deutlich reduziert wird. Gibt es an den Automaten die sogenannten Freispiele (zusätzliche, kostenfreie Spiele, die große Gewinne auslösen können, Anmerkung) zu gewinnen, dann bezahlen diese, sofern sie überhaupt in Erscheinung treten, auffallend wenig. Viel zu wenig, ständig müssen Geldscheine in den Automaten nachgesteckt werden. Es ist an jenen Tagen, oder in genau diesen Stunden innerhalb eines Tages, schlicht und einfach gesagt unmöglich zu gewinnen.

Glücksspielsteuerung ist ein Joker für die Casinos

Ein deutlicher Hausvorteil für das Casino. Durch die Steuerung der eigenen Spielautomaten, besitzt das Casino immer den Joker, und kann so die Umsätze und dadurch entstehenden Spielerträge steuern. Zum Nachteil des Spielers. Denn größere Spielerträge bedeuten automatisch höhere Verluste für einzelne Spieler.

Bildlich beschrieben

Zum besseren Verständnis ein Beispiel von Automaten-Steuerung, theoretisch auf das Spiel Roulette umgelegt: Dies sind jene Tage, die verglichen mit Roulette so sind, als wenn die Kugel zu 90 Prozent immer auf schwarz fällt, der Spieler aber nur rot setzen kann. Nicht deshalb, weil es das Glück so will, sondern weil das Casino fast alle roten Felder schwarz überklebt hat. Beim Roulette würde der Spieler diese offensichtliche Änderung der Auszahlung bemerken, da er sie mit seinen eigenen Augen sehen kann. Beim Automatenspiel sieht niemand die Mechaniken im Hintergrund. Die vor Ort tätigen Mitarbeiter und Croupiers beruhigen unruhig werdende Spieler stets: „Wir können nichts ändern, alles ist zu 100 Prozent Zufall, die Automaten sind nicht manipulierbar durch die Mitarbeiter der Casinos, die Automaten sind untereinander nicht verbunden, haben keine Zuleitung, usw.“.

Die Wahrheit

Die Betreiber geben sich also Mühe, diese Gerüchte sofort im Keim zu ersticken. Nun, wie wir in Teil 1 dieser Serie berichtet haben, können wir einige dieser Aussagen bereits widerlegen.

  • „Wir können nichts ändern„: Das stimmt nicht. Nachfolgend mehr dazu.
  • „Die Automaten sind untereinander nicht verbunden„: Das stimmt ebenso nicht. Die meisten Automaten sind an einem Server angeschlossen. Mehr dazu: Spielautomaten: Die unterschiedlichen Typen
  • „Die Automaten haben keine Zuleitung„: Falsch. Automaten, die an den Servern angeschlossen sind, sind mit einem Netzwerkkabel verbunden und haben daher sehr wohl eine Zuleitung.
  • „Wir können nichts ändern, alles ist zu 100 Prozent Zufall„. Nein, das stimmt nicht. Der Automat kann nur dann einen Gewinn ausschütten, wenn er „darf“. Hat der Automat vom Server keine Freigabe für einen Gewinn, wird er auch keinen Gewinn ausbezahlen. Nur dann, wenn der Automat laut Server ausschütten darf, darf auch der im Automat sitzende Zufallsgenerator Gewinne zusammenstellen, die dann über einen Zufallsmechanismus ermittelt werden. Somit handelt es sich um keinen ausschließlichen Zufall, wenn der Spieler verliert oder gewinnt.

Manipulation vs. Steuerung

Das Finanzministerium haben wir mit diesem Thema konfrontiert. Das Ministerium bestätigt uns gegenüber, dass es gesetzlich erlaubt ist die Auszahlungsquoten der Glücksspielautomaten anzupassen, betont dabei aber, dass es sich dabei – solange alles innerhalb der im Gesetz definierten Bereiche verläuft – noch nicht um “Manipulation” handelt.

„Eine gesetzeskonforme Änderung der Gewinnausschüttungsquote ist bei Landesglücksspielautomaten und Video Lotterie Terminals nach den Vorgaben des § 5 Abs. 4 lit b Z 4 GSpG allerdings zulässig.“

Glücksspielautomaten Steuerung laut Gesetz zulässig: Das Glücksspielgesetz und seine Kuriositäten.

Da ist es also: das Eingeständnis von offizieller Stelle, die Auszahlungsquoten können legal vom Casino angepasst werden. Dafür gibt es im Glücksspielgesetz sogar eine Einarbeitung dieser Stelle, damit genau diese Vorgänge des Steuerns von Automaten ganz einfach erlaubt sind.

Doch eines fällt bei genauerer Betrachtung auf. Es wurde offenbar auf die Spielbanken der Casinos Austria im Gesetz vergessen. Erneut beim Ministerium nachgefragt, gab man bekannt:

„Bei Spielbankautomaten hat der Gesetzgeber wegen des spezifischen Aufsichts- und Berichtsregimes keine gesetzliche Regelung bestimmt.“

So das Finanzministerium. Die Spielbanken der Casinos Austria haben keine gesetzlichen Rahmenbedingungen auferlegt bekommen.

Zufall in anderer Form

Ein Gewinn ist also nur bedingt Zufall. Und zwar insofern, ob der Spieler zufällig an dem Tag dort ist, als der für die Automaten-Payouts zuständige Mitarbeiter des Casinos zuvor entschieden hat, die Auszahlung für heute höher anzusetzen. Der reine Zufall scheint nur unterordnet eine Rolle zu spielen. Denn: Sind die Auszahlungen stark reduziert, ist die reale Chance auf einen zufälligen Großgewinn im Grunde nicht vorhanden. Selbiges gilt im umgekehrten Fall. Sind die Auszahlungsquoten stark erhöht, spielt es im Grunde nur eine untergeordnete große Rolle, welches Spiel oder welchen Automaten der Spieler spielt.

Das Finanzministerium beantwortet entscheidende Fragen nicht

Wir waren mit dem Ministerium für Finanzen in Kontakt. Als unsere Fragen detaillierter wurden, es um den Kern der Sache ging, erhielten wir keine weiteren Antworten mehr.

Ausschließlich oder überwiegend?

Das Glücksspielgesetz ist für Spiele, bei denen Gewinn und Verlust ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängig sind. So steht es im Gesetz geschrieben. Wir fragten das Finanzministerium ob das Spiel am Automaten aus ihrer Sicht unter “ausschließlich”, oder “überwiegend” fällt. Diese Frage wollte man uns nicht beantworten.

„Glücksspiele im Sinne des Glücksspielgesetzes sind Spiele, bei denen Gewinn und Verlust ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängen“
Auszug aus dem Glücksspielgesetz. Spiele, bei denen es sich um Glücksspiel im Sinne des Glücksspielgesetzes handelt.

Laut den uns vorliegenden Fakten beruht es auf Zufall, insbesondere auch dem Zufall ob heute „zufällig“ die Auszahlungsquoten von einem dafür zuständigen Mitarbeiter reduziert oder erhöht wurden, als die Gäste im Casino spielten.

Weshalb dürfen Betreiber die Auszahlungen steuern?

Auch wollten wir vom Finanzministerium wissen, weshalb es überhaupt die Möglichkeit im Gesetz benötigt, den Betreibern die Auszahlungen steuern zu lassen. Trotz mehrmaliger Nachfrage: keine Antwort.

Ein Glücksspielautomat hat eine komplexe Software auf mathematischer Grundlage integriert. Der Automat könnte völlig alleine und ohne Zutun von außen seinen Dienst erfüllen. Er könnte selbständig entscheiden, wann es zur Auszahlung kommt, und wann ein Verlust eintreten wird. Doch weshalb werden die Automaten überhaupt gesteuert? Mit je mehr wissenden Personen wir über dieses Thema sprechen, umso deutlicher werden die Vorteile für die Betreiber im Rahmen einer Automatensteuerung.

Effekte durch Glücksspielautomaten Steuerung von Automaten-Payouts

Ein Ergebnis unserer intensiven Recherche betreffend Glücksspielautomaten Steuerung: Die Effekte durch die Steuerung der Payouts hat massive Auswirkungen für die Casino-Betreiber. Und genau das macht es so interessant.

  • Reduktion von Payouts, mehr Geld in der Kassa. Gerne auch dann, sobald deutlich mehr Gäste im Casino anwesend sind. Stichwort: Abends, speziell an Wochenende und Feiertagen
  • Erhöhte Geldeinnahmemöglichkeit, etwa am Monatsanfang
  • Erhöhung der Verweildauer von Gästen, wenn Automaten im Wellen-Prinzip Gewinne auszahlen und diesen gleich wieder wegnehmen, wieder und wieder
  • Dadurch weiterführend Erhöhung des Spielumsatzes. Denn jede Umdrehung der Walzen am Automaten erhöht den Umsatz des Casinos.
  • Somit mehr Umsatz, mehr Bruttospielertrag, mehr Gewinn für den Betreiber. Bei jedem Spiel wandern Prozente, vom Umsatz der Einsatzhöhe, in die Kassa des Betreibers

Doch damit nicht genug. Denn mehr Umsatz durch die Steuerung von Automaten bedeutet auch gleichzeitig mehr Spielbankabgaben, die an den österreichischen Staat, das Finanzministerium, abgeführt werden. Dies könnte einer Maximierung von Steuereinnahmen im Bereich des Glücksspiels gleichkommen. Ob dies rechtliche Probleme betreffend EU-Rechtskonformität des Glücksspielgesetzes nach sich ziehen könnte?

Lesen Sie im kommenden Teil 3 dieser Serie: Welche Glücksspielbetreiber die Auszahlungsquoten steuern und wie diese sich in Schweigen hüllen.

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